Das Leben gestalten trotz Angst
Ich stelle mir häufiger die Frage, wie wohl mein Leben wäre, wenn ich keine Angststörung haben würde. Eigentlich muss es ja nicht unbedingt heißen, dass es dann viel besser wäre. Klar, ich würde vielleicht mal mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegen, oder mit dem E- Bike alleine durch den Wald fahren, oder mit dem Auto überall dahin wohin ich wollte. Dennoch glaube ich, habe ich mir ein Leben aufgebaut, was auch seine Reize hat. Ich habe Pferde, Esel, Hunde… Ich lebe auf dem Land in einem Dorf mit einer wunderschönen Natur rund um den Ort. Es ist so schön mit dem Pferd durch die Natur zu reiten (nach meinem Kutschenunfall) häufiger auch zu wandern. Schon bald bekommt unsere Stute, wenn alles gut geht, ein Fohlen. Es erfüllt mich mit meinen Tieren meine Freizeit zu verbringen und ich sammele viel Kraft dadurch. Sie sind es auch, für die mich in meiner schwierigsten Zeit dazu gebracht haben, dennoch das Haus zu verlassen. Sie sind es auch, für die ich unter anderem arbeite. Futter, Hufschmied und Tierarzt müssen bezahlt werden. Mein Mann hat „Gott sei Dank“ auch Freude an den Tieren, so dass wir uns gemeinsam kümmern. Trotz schwerer Zeiten, habe ich mir auch Wünsche erfüllt und habe Träume. Das ist bei Recovery sehr wichtig. Was mein Mann und ich uns aufgebaut haben, hat mehrere Jahre gedauert, mit Höhen und Tiefen. Aber die Liebe zu etwas, kann wirklich Berge versetzen. Alle die mit Angsttherapien zu tun haben wissen, dass man möglichst nicht vermeiden soll. Ich habe viel vermieden und mache es heute noch. Mein Leben habe ich mir so konstruiert, dass ich persönlich darin gut leben kann.
Es hat sehr, sehr lange gedauert, bis ich über den Kommentaren aus Familie und einigen Menschen aus dem Dorf stehen konnte. So viele Tiere und keine Kinder, war schon Grund genug mich merkwürdig zu finden. Manchmal fällt es immer noch schwer. Diese negativen Erfahrungen hat natürlich auch zu Selbststigmatisierung geführt.
Um die Anfangsfrage noch zu Ende zu führen. Ich glaube fest daran, dass meine Lebensgestaltung nicht viel anders geworden wäre ohne die Angst. Ich habe ja schließlich auch eine Persönlichkeit und ausreichend viele gesunde Anteile, die Entscheidungen treffen können. Familienmitglieder können mir noch so oft erzählen wie schön es ist in den Bergen zu wandern…auch wenn ich der gesündeste Mensch der Welt wäre, hätte ich da kein Interesse dran. Mir reichen schon die Sauerländer Berge.
Was ich sagen will ist:
Auch ein an die Angst angepasstes Leben kann ein gutes Leben sein.
Aber nicht alle Entscheidungen des Lebens, die nicht der gesellschaftlichen Norm entsprechen oder einem konservativen Dorfleben, haben etwas mit psychischen Erkrankungen zu tun.