Psychopharmaka – Fluch oder Segen
Ich erinnere mich noch gut an einen Abend, an dem es mir besonders schlecht ging. Ich hatte starke Ängste. Sie wurden gefühlt auch nicht schwächer und ich sah keinen Ausweg mehr. Ich bat meinen Mann den Krankenwagen zu rufen. Ich wollte in die Psychiatrie. Ich brauchte Hilfe. Die nächste Psychiatrie ist nicht weit entfernt von meinem zu Hause. Der Krankenwagen fuhr vor und sie kamen meinem Flehen nach. Ich lag noch auf der Trage als ein Arzt kam und mich fragte, ob ich wirklich aufgenommen werden wollte. Sie hätten nur noch Platz in einer geschlossenen Abteilung. Ich war verunsichert. Natürlich wollte ich nicht dorthin, sah aber keine Alternative. Der Arzt sprach noch etwas mit mir und sagte ich solle wieder nach Hause. Wieder zu Hause hörten die starken Angstzustände nicht auf und so brachte mich mein Mann in die somatische Klinik. Dort kam der Neurologe und riet mir ein Antidepressivum zu probieren. Lange habe ich mich dagegen gewehrt, aber jetzt stimmte ich zu. Ich wurde am nächsten Tag entlassen. So nahm ich also 5 mg Citalopram. Drei Tage ging es mir weiterhin richtig, richtig schlecht. Ich bekam schreckliche Übelkeit, konnte aber nicht erbrechen. Ich spürte seltsame Gefühle, die in Wellen kamen, als wenn der Körper unter Strom stehen würde. Ich lag diese Tage nur im Bett und konnte weder essen noch trinken. Ich recherchierte im Internet meine Symptome. In Foren las ich von anderen Menschen, welche ebenfalls von solchen Erfahrungen berichteten. Ich dachte nur ich muss durchhalten und sah die Medikamente derzeit als einzige noch bleibende Chance. Nach drei Tagen wurde es besser. Das Citalopram wurde dann nach und nach erhöht. Nach drei Wochen ging es mir deutlich besser. Auch Symptome, welche die Angst sonst mitbrachte, besserten sich zunehmend. Letztendlich tat es mir wirklich gut und ich fand wieder zu mir selbst und dankte Gott für einen Zustand, den ich schon Jahre nicht mehr hatte. Darauf konnte ich aufbauen. Das war alles in der Zeit meiner tiefsten Krise. Ich wurde wieder handlungsfähiger, recherchierte wie es beruflich weitergehen könnte. Das kennt ihr ja bereits aus einem vorherigen Beitrag. Aus meiner Sicht sind Psychopharmaka nicht gänzlich zu verteufeln. Ich denke es kommt darauf an, ob das Medikament zu einem passt und welche Dosierung, Art und wie viele Medikamente man bekommt. Auch hier ist es individuell. Ich schätze es wird wieder belastend, wenn man so gedämpft ist, dass die Handlungsfähigkeit dadurch verloren geht. Aber gerade was die Psyche betrifft, ist vieles so individuell, dass ich mich nicht traue, oder noch nicht traue in diesem Punkt ein Urteil zu fällen.
Was Recovery betrifft, kann es auch helfen das System für sich zu nutzen, wenn man selbst nicht mehr weiterkommt. Hier wünscht man sich aus Recovery Sicht von den Professionellen Personen unter anderem Mitspracherecht bei medizinischen und therapeutischen Interventionen, eine gute Aufklärung, Gespräche auf Augenhöhe, Respekt…
Ich wünsche mir zudem für Nutzer des psychiatrischen Systems die Chance von Recovery und Menschen auf ihren Recoverywegen gehört zu haben.
Anbei ein Link über das Thema „Psychopharmaka reduzieren“ am Beispiel der Schizophrenie: